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Annette Pehnt
Die schmutzige Frau
Versroman
Piper, München, 165 Seiten
Auch Annette Pehnt setzt einen machtorientierten Mann ins Bild, dabei ist sie subtiler vorgegangen: Sie hat die Perspektive umgedreht. Der Mann, der seine Frau gängelt und missachtet, lässt sie, gewissermaßen stellvertretend, den Diskurs in seinem Sinn führen. Bei, zum Beispiel, Theodor Fontane haben die Frauen zwar eine Hauptrolle, aber die Verfügungsgewalt über Taten und Gedanken lag damals beim Mann. Inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Annette Pehnts Heldin entfaltet nach und nach eine eigene Position: Nannte sie ihn vorher konsequent bloß „Meinmann“, so ergreift sie am Ende die Initiative für sich

Eine Frau macht sich frei
Wie ein gönnerhafter Macho durch Übertreibung seine Überlegenheit einbüßt - Annette Pehnt stellt ein Rollenverständnis vom Kopf auf die Füße

Außer dem sprichwörtlichen goldenen Käfig und atavistischem Einschließen der Frau gibt es in unseren modernen Zeiten noch die Variante, die Frau aus der Familie auszulagern in eine extra Wohnung, oder Haus, wo sie sich selbst verwirklichen kann - vielmehr: Wo sie sich verwirklichen soll. „Ich passte nicht mehr in das Haus, es war die falsche Umgebung - Nachdem wir auch die Entscheidung, mich in die Wohnung auszuquartieren, auf diese Weise durchgespielt und zu seiner Zufriedenheit vorangetrieben hatten, tat ich mich eine Weile schwer“. Es ist, als würde sie nun in dieser Wohnung unter Verschluss gehalten, eine Gefangene ohne Außenkontakt - auch für einen Roman eine absonderliche Situation.

Ermöglicht wird das vom Partner, dem Ehegatten, der autoritär darüber wacht, dass alles seine Ordnung behält. Er hat sie in der Hand, und er versteht es nach Art eines malignen Despoten, oder in einer Art repressiver Gönnerhaftigkeit, bei ihr jeder Zeit neue Schuldgefühle oder eine Unterwürfigkeitshaltung hervorzurufen. Offenbar hat er sich zielgerichtet die Richtige ausgesucht: beide zwanghaft, er als Täter, sie als Opfer, das schlechte Behandlung gewohnt ist.

Zunächst lässt sich das Arrangement ganz vielversprechend an. Sie schreibt einige Geschichten, wobei der Titel Die schmutzige Frau sich auf ein Motiv bezieht, dass darin immer wiederkehrt. Ihre Geschichten sind alles andere als Schreibversuche, es sind perfekte, abgeschlossene Erzählungen, die wie in bedeutungsreichen Träumen die Phantasien und Ahnungen der Erzählerin wiedergeben, also der innerhalb von Pehnts Roman auftretenden Autorin, eben der Frau, die nun in einer von ihrer Familie, aber auch von jeglichen anderen Kontakten abgesonderten Wohnung lebt. „Dass ich noch in dieser Stadt lebe, weiß niemand - Vielleicht steht gelegentlich jemand am Fenster und schaut hinaus auf einen Platz oder eine Bank, auf der ich früher saß und die Seiten in meinem Buch umwendete, und fragt sich, wo ich wohl geblieben bin und was aus mir geworden ist - Das wüsste ich auch gern“. Das Wort „schmutzig“ lässt sich mit ihr nicht in Verbindung bringen: Weder empfindet sie sich so, noch wird sie im weiteren Verlauf von irgend jemandem als so angesehen.

Die Isolierung wirkt sich negativ aus. Ihr Mann taucht willkürlich auf, als wäre es ein Kontrollgang, dann bringt er Gäste mit, schmeißt eine Party, und zerstört auf diese Weise das, was eigentlich gut gemeint gewesen sein könnte. Wenn sie nicht vorher schon emotional ausgetrocknet war, geht es ihr jetzt erst recht schlecht. Nach dem Optimismus des Anfangs entwickelt sich die Stimmung wie in Boris Vians Schaum der Tage, wo am Ende alles eng und glanzlos ist.

Doch der Roman ist etwas raffinierter angelegt: Es erzählt die Frau. Annette Pehnt konterkariert den Macho-Diskurs, indem sie z.B. ihre Heldin ohne Namengebung nur von Meinmann sprechen lässt. Dass der Text als Versroman vorgestellt wird und dass die Sätze keinen Punkt bekommen haben, verleiht ihm eine eigene Aura. Ob es das Verständnis der Handlung beeinflusst, steht dahin. Überm Erzählen zeichnet sich nach und nach ab, dass es eine Wende geben wird. Nicht eine Katastrophe, sondern dass die Frau nach einem zugespitzten Dialog, in dem sie ein weiteres Mal getriggert wird und sich unterwirft, sich doch aufrafft, das alles hinter sich zu lassen. Anders als der alternde Mann in Kafkas Vor dem Gesetz begehrt sie auf: „Ich horche in mich hinein und spüre gar nichts, weder Angst noch Aufregung, es war so einfach, dass ich mich fragen muss, warum ich nicht schon längst hinausgegangen bin, was mich gehalten hat und ob ich den Verstand verloren habe.“ Ein offenes Ende, wie ein Aufbruch, eine subtile Aufforderung zu Eigenständigkeit und selbstbewusster Auflehnung.

R.v.Bitter

ISBN 978-3-492-07107-9

https://www.piper.de/buecher/die-schmutzige-frau-isbn-978-3-492-07107-9