, Juan Gabriel Vásquez Die Informanten Aus dem Spanischen von Susanne Lange
Verlag Schöffling & Co

„Voller Stolz schenkt der junge kolumbianische Journalist Gabriel Santoro seinem Vater, einem bekannten Rhetorikprofessor, sein erstes Buch. Er kann nicht ahnen, dass sein Vater diese Chronik einer befreundeten deutsch-jüdischen Familie mit einem Verriss in der größten Zeitung des Landes zunichtemachen wird. Mehr noch, dass er mit der Veröffentlichung seines Buches auf ein dunkles Geheimnis gestoßen ist“, schreibt Mario Vargas Llosa über diesen Roman.
Wer Kolumbien liebt, wer die Stadt Bogotá um ihrer selbst willen liebt, wer lateinamerikanische Sensibilität, die unsereinem hierzulande vielleicht als Sentimentalität erscheint, zu schätzen weiß, der wird dies Buch von der ersten Seite an mögen. Für die anderen wird es ab ca. Seite 70 spannend. Denn da kommt der Erzähler dieser Geschichte zu seiner Sache, einer bitteren Erkenntnis, nämlich dass sein Vater, der sogar einige wichtige nationale Diskurse für den Staatspräsidenten verfasst hat, dass also dieser zu den Honoratioren zählende Herr ein mieser Verräter gewesen ist, der eine Familie zerstört und einen Menschen zur Selbstaufgabe bis zum Selbstmord getrieben hat.

Dessen Strafe außer einem schlecht verdrängten Gewissenbiss allerdings ein Attentat mit einer Machete gewesen ist. Der Sohn des Selbstmörders hat dies Attentat initiiert, der Verräter verlor dabei die rechte Hand.

Der Sohn des Verräters, der hier seine Geschichte erzählt, hat getan, was so viele Europäer aus den Generationen der 40er und 50er Jahre versäumt haben: Er hat seinen Vater gefragt, was er in den 30er und 40er Jahren getan hat. Dann hat er weiter recherchiert, zunächst eine Zeugin befragt und aus deren Aussagen ein Buch gemacht, das sein Vater bereits als Bedrohung empfunden hat. Die Zeugin war die Tochter einer jüdischen Familie, die Deutschland 1938 verlassen hatte, in Kolumbien ansässig wurde und es dort durch Intelligenz und Geschick zu etwas gebracht hat. Neben den vom NS-System verfolgten Flüchtlingen gab es in Kolumbien, wie in anderen südamerikanischen Ländern, patriotische Deutsche, von denen einige Nazis wurden.
Die USA setzten die Diskriminierung der Deutschen und ihrer Verbündeten in Lateinamerika durch. In Kolumbien gab es eine Liste, auf die jeder geraten konnte, ob Nazi, Nicht-Nazi oder NS-Verfolgter – eine Denunziation genügte, um die stupiden Verwalter dieser Listen weitere Namen notieren zu lassen. Eine solche Denunziation hatte sich der Vater des Erzählers zuschulden kommen lassen.
Am Ende trifft der Sohn den Sohn des damaligen Verratsopfers. Ein ernüchterndes Ende für alle, die sich eine Versöhnung vorgestellt hätten. Ergreifend, wie genau die menschlichen Beweggründe, die Haltungen und die individuellen Lösungen verzweifelter Situationen in diesem Buch gestaltet sind. So fern der Schauplatz dieses Dramas ist, so nah sind uns doch die beteiligten Menschen.

ISBN: 978-3-89561-005-9
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