, Ilija Trojanow Macht und Widerstand Roman
S. Fischer Verlag

Was soll einer tun, der von der Obrigkeit ungerecht behandelt wurde, weil er seinen eigenen Kopf hatte und nicht zu allem ja und amen sagte? Wie kann sich einer gegen die Macht des Staates wehren? Ilija Trojanow, dessen Eltern mit ihm als kleinem Jungen aus Bulgarien geflüchtet sind und in Deutschland politisches Asyl erhielten, hat das Schicksal eines Mannes nachverfolgt, dem seine Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zum Verhängnis wurden, den die Schergen des Diktators am liebsten tot gesehen hätten, der aber sogar seinen ärgsten Quälgeist überlebt hat. Bei Trojanow ist daraus die Geschichte eines heldenhaften Menschen und seines lebenslangen Widersachers geworden. Für seinen Roman hat sich Trojanow in seine beiden Helden, den Unterdrückten und den Verfolger, hineinversetzt. Er erzählt von selbstgefälliger Machtausübung und Uneinsichtigkeit auf der einen und von erlittener Folter und den Spätfolgen der seelischen Zerrüttung auf der anderen Seite, ohne uns zu einer Haltung zu drängen.
Daraus hätte der Autor natürlich auch einen klassischen Roman mit Spannungsbogen, dramaturgisch effizienten Ereignissen und einem schönen oder offenen Ende schreiben können. Das hat er unterlassen.

Warum haben Sie nicht einen konventionellen Roman gemacht, sondern sich für die Lösung mit einer Parallelmontage entschieden?

Mit seinem Ziel, dokumentarisch Authentizität herzustellen, hat Trojanow versucht, in die Gedankengänge seiner beiden Antagonisten – Metodi, der gemeine Quälgeist, und Konstantin, sein Opfer – einzudringen, mit Empathie aufzuspüren, was die beiden beherrscht und bewegt – was ihn z. B. fasziniert habe, sei der „Schminkkoffer der Selbstrechtfertigung“ der Verfolger von einst, meint Trojanow.

Das Denken fremder Personen nachzuvollziehen und nachvollziehbar zu machen, erzeugt nicht unbedingt Sympathie, aber wir erkennen mehr von diesen anderen. Gehört das zu den Aufgaben der Literatur?

Welchen Stellenwert hat engagierte Literatur heute? Günter Wallraff hat mit seinen Büchern allerlei bewirkt, Jean-Paul Sartre und Albert Camus haben den Begriff geprägt und sind mit ihrer engagierten Literatur weltberühmt geworden.

Was für Chancen hat engagierte Literatur heute noch? (Können Bücher die Welt besser machen?)

Es heißt so schön in dem Buch: Der Tod hatte die Gerechtigkeit rechts überholt, Metodi, der Verfolger, stirbt, bevor er für seine Schandtaten zur Rechenschaft gezogen wird. Konstantin, der Verfolgte, lässt es aber nicht darauf beruhen. Er hat sein Leben lang gegen Zustände und gegen die Macht des Faktischen rebelliert. Er wird es sich nicht nehmen lassen, wenigstens am Grab seines Quälgeistes, an dem sich vor allem ehemalige Mit-Täter versammelt haben, den falschen Frieden zu stören: Er lässt ein riesiges altes Kofferradio die Böllerraketen-Töne einer großen Freudenfeier abspielen, laut, lästig und lächerlich in seiner Hilflosigkeit. Aber was bleibt einem übrig, dem Gerechtigkeit aus Bosheit versagt bleibt?

Der skurrile Schlussakt am Grab ist beinahe haitianisch. Wer verschafft sich da Genugtuung: Nur Ihr Held oder auch Sie?

Wir lernen zwei Menschen kennen und wir bekommen eine Ahnung von den Schwierigkeiten, in einem vormals diktatorischen Staat so etwas wie Gerechtigkeit herzustellen. Ilija Trojanow trägt so auch dazu bei, dass wir etwas mehr begreifen von den Menschen des ehemaligen Ostblocks.

ISBN: 978-3-10-002463-3

http://www.fischerverlage.de/buch/macht_und_widerstand/9783100024633