, Max Küng Wenn du dein Haus verlässt, beginnt das Unglück Roman
Verlag kein & aber

Stille Komik des Alltags, gekonnt herausgepickt

Wie eine lockere Hausgemeinschaft in der Krise zueinanderfindet.

Max Küng hat ein Herz für normale Leute und Sympathie für ihre Schwächen.

Diskreter Humor, mit spitzer Feder erzeugt.

Die rasende Klatschreporterin gefangen im schalldichten Raum. Der Immobilienmakler, der einem Blender aufsitzt. Der eitle Fernsehstar, den die Frauen demontieren.

Max Küng hat eine pfiffige Idee neu umgesetzt. Er erzählt von einer Gruppe Leute, deren Gemeinsamkeit die Adresse ist: Lienhardstr. 7, in einem angesagten Viertel von Zürich. Stockwerk für Stockwerk klappt er zu Beginn das Haus auf, und bald sind wir bestens bekannt mit den einzelnen Akteuren: Der beliebte Fernsehmoderator, Tim, den seine Eitelkeit immer neu in die Irre führt und der sich bei keinem Rockzipfel zurückhalten kann, um sich eine vollkommen überflüssige, aber subjektiv wohl dringend notwendige Selbstbestätigung zu verschaffen, bis ihm Judith, seine Frau, eine Falle stellt. Danach ist das Leben nicht mehr so leicht, und seine Fernsehshow wird auch noch abgesetzt. Judith dagegen entdeckt ihr Herz für Herrn Vischer, den eigenbrötlerischen Mann vom Tiefparterre, der sämtliche Pässe und Gipfel der Schweiz per Fahrrad erobert – und der zum Schluss dem Buch das Ende verschaffen wird, das wir dieser ganzen Haus-Gemeinschaft wünschen. Ganz oben wohnt Delphine, eine so arg- wie harmlose Kunststudentin, die in Form eines betretbaren Würfels einen schalldichten Raum als Installation konstruiert, in dem eine neugierige Nachbarin fast ums Leben kommt. Die neugierige Nachbarin, Paola, arbeitet für ein Klatschblatt und will den smarten Fernsehmoderator erpressen, um an eine brandheiße Home-Story zu kommen. Der Mann der Journalistin, Fabio, ist im Immobiliengewerbe tätig. Er weiß am besten, wie man dem Immobilieninvestor begegnet, meint er. In seinen strategischen Gedankengängen unterbricht ihn ständig seine Online-Verbindung, über die er ohne Unterlass an Sportwetten teilnimmt. Als ihn ein Immobilienkunde schließlich hereinlegt und ihm die Rechnung für ein Treffen in einem extrem teuren Schlemmerlokal aufhalst, finden wir ihn schon so liebenswert, dass wir als Reaktion gar nicht erst auf Schadenfreude kommen. Bleibt Virginia im 3. Stockwerk, die von ihrem Mann verlassen wurde, was sich aber als ertragreich erwiesen hat, und die von ihrer pubertären Tochter in Atem gehalten wird, obwohl sie sich beide so ähnlich sind. Alle schildert Max Küng mit einer teilnehmenden Beobachtungsgabe, mit einem Mitgefühl, dass wir sie mögen, obwohl wir ihnen gar nicht mal so nah sein wollen. Küng findet Formulierungen, mit denen er uns einlädt, über seine Helden zu lachen, und doch verrät er sie nicht.

Wen von denen mag der Autor wohl am liebsten? Besser zu fragen wäre: von wem seiner Helden erzählt er die lustigsten, wenn auch entlarvendsten Intimitäten? Von dem weiß er bestimmt deshalb am meisten, weil er dem bevorzugt eigene Charakterzüge angelegt hat. Und das ist Fabio, der stets an seine wachsende Wampe und – anders herum – an sein Wohlbefinden denkt. Spätestens hier bemerken wir, dass Max Küng einen warmherzigen Humor hat, dass er zwar seine Figuren, all ihre Neigungen und Schwächen mit spitzer Feder präzis aufs Korn nimmt, dass er aber alle in ihrer Menschlichkeit, mit ihren Sorgen, mit ihren Freuden ernst nimmt und irgendwie liebevoll durch ihr Leben laufen lässt.

ISBN 978-3-0369-5744-9

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