Interviews

, Alexander Kluge30. April 1945. Der Tag, an dem Hitler sich erschoss und die Westbindung der Deutschen begannSuhrkamp

Der 30. April 1945, ein Montag, war der letzte ausgeübte Werktag im Deutschen Reich. „30. April 1945“ heißt Alexander Kluges Buch über diesen Tag, den er als Jugendlicher, fast noch als Kind, selbst erlebt hat – ein Mosaik, eine Sammlung von Momenten und Ereignissen dieses einen Tages, von Momentaufnahmen einzelner Menschen und ihrer Taten an diesem Tag. Jeder und jedes ist an sich klein, aber in der Summe ergeben sie ein großes Panorama, vom zertrümmerten Deutschland bis hin zur Gründung der UNO in Kalifornien.

Haben Sie diese vielen einzelnen Geschichten und Begebnisse gesucht, haben Sie die gesammelt, sind es Zufallsfunde?

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, Margriet de MoorMélodie d’amourRoman, übersetzt aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen
Carl Hanser Verlag

Das klingt wie ein Schlagertitel: „Mélodie d’amour“, man möchte an Weichzeichner denken, an ein bißchen zu viel liebliche Gefühligkeit – aber es ist davon nichts darin. Margriet de Moor erzählt die Geschichte eines Quintetts von Frauen, die um einen Mann und seinen Sohn kreisen und dabei auch ins Extreme gehen können. Der Mann: Gustaaf, macht nach dem Zweiten Weltkrieg in Holland Karriere mit einer Saugbaggertechnik, die ermöglicht, dem Meer noch mehr festen Grund abzutrotzen. Seine Frau ist Atie, mit ihr hat er seine holländische Wirtschafts-Wunder-Familie gegründet, und sie hat er dann für eine jüngere verlassen.
Der Roman setzt ein, als Atie gestorben ist und Gustaaf versucht, ihren letzten Willen zu umgehen, nämlich sie nie mehr zu sehen zu bekommen. Er schafft es, seine Söhne dazu zu bringen, den Sarg in einer grotesken Szene vor das Haus zu tragen, wo Gustaaf noch einmal in Aties Gesicht blicken und Abschied nehmen kann.
Atie hatte das später verfügt. Aber als ihr Mann sich von ihr schnöde abwandte, hatte sie sich noch fast alles gefallen lassen, gab sich sogar Mühe, die „Neue“ zu mögen, alles in Ordnung zu finden, den Konflikt unterm Teppich zu halten. Sie verlor den Verstand vor lauter Selbstverleugnung, als ihr Mann sie im Stich ließ,

Atie lässt sich das alles von ihrem Mann gefallen, das ist erstaunlich.

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, Uwe KolbeDie LügeRoman, S. Fischer

Der Lyriker Uwe Kolbe ist vor allem bekannt geworden als DDR-Dissident, der deutliche oppositionelle Botschaften so geschickt in seine Lyrik verpackte, dass auch treue SED-Anhänger erst verspätet merkten, was für eine literarische Konterbande, nunmehr in beträchtlicher Menge gedruckt, allgemein erhältlich war. „Kern meines Romans“ hieß das Gedicht, dessen jeweils erste Wortbuchstaben fünf offensive Ablehnungen formulierten: „1. Eure Maße sind Elend. 2. Euren Forderungen genügen Schleimer. 3. Eure ehemals blutige Fahne bläht sich träge zum Bauch. 4. Eurem Heldentum den Opfern widme ich einen Orgasmus. 5. Euch mächtige Greise zerfetze die tägliche Revolution“ (zitiert nach Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.5.1982). Vom Status einer „bedeutenden literarischen Neuentdeckung“ wechselte Kolbe zu dem eines Übersetzers mit Publikationsverbot. Trotzdem blieb er eine wichtige Stimme in der DDR und verkehrte mit den anderen, die unter der Obrigkeit der SED auf keinen grünen Zweig kommen sollten. Das war 1981. Jetzt hat Kolbe einen Roman veröffentlicht, „Die Lüge“, dessen Handlung vor dem Hintergrund seiner Zeit in der DDR stattfindet.

Haben Sie beim Schreiben neue Erkenntnisse über die DDR gewonnen?

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Was sich sonst zu lesen lohnt

, Victor SergeDie große Ernüchterung. Der Fall Tulajewaus dem Französischen von N. O. Scarpi (Fritz Bondy)
Unionsverlag

Dies ist einer der wichtigen Romane des 20. Jahrhunderts. Er ist im Jahr 1948, schon nach dem Tod des Autors, in Frankreich erschienen und wurde bereits 1950 ins Deutsche übersetzt. Jetzt ist er wieder als Taschenbuch erhältlich, und wer es liest, kann sich ein weiteres Mal wundern, wieso es erst Solschenizyn mit seinem „Archipel Gulag“ gelungen ist, im damals ja bereits demokratisch und rechtsstaatlich verfassten Westeuropa die Erkenntnis zu befördern, dass die Sowjetunion eine Tyrannei war, und dass die Sowjetunion unter Stalin ein einziger Schrecken gewesen sein muss.

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, Jemima MorellMiss Jemimas Journal. Eine Reise durch die Alpenaus dem Englischen von Heike Steffen
mit einem Vorwort von Andreas Lesti und Illustrationen von Stephanie F. Scholz
Rogner & Bernhard

Miss Jemimas Tagebuch einer Reise durch die Alpen schildert eine der ersten Gruppenreisen überhaupt, unternommen 1863 unter der Ägide keines Geringeren als Thomas Cook, der hier eine der ersten Pauschalreisen veranstaltete. Andreas Lestis Vorwort gibt Auskunft über diesen kuriosen Fund, die Illustrationen veranschaulichen, wo die Reise langging. Miss Jemima war von den weiteren Teilnehmern dieser Reise zur Berichterstatterin ernannt worden. Sie alle waren Mitglieder des im Juni 1863 in Opposition zum sechs Jahre älteren Londoner Alpine Club gegründeten Junior United Alpine Clubs. Der ältere Alpinistenclub hatte nämlich ausschließlich männliche Mitglieder, Miss Jemima nahm also außerdem noch an einem emanzipatorischen Akt teil.

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, Germano AlmeidaDas Testament des Herrn Napumocenoaus dem Portugiesischen von Maralde Meyer-Minnemann
Unionsverlag

Wer den Erzählduktus mancher südamerikanischer Romanautoren liebt, die ausschweifend, plastisch, humorvoll und mit der Gabe erzählen, sinnliche Wahrnehmung anziehend in Worte zu fassen, der wird sich an diesem Buch freuen. Im Mittelpunkt steht Senhor Napumoceno da Silva Araújo, ein angesehener Kaufmann der kapverdischen Hafenstadt Mindelo, der einst sein Vermögen mit einem Schreibfehler machte, indem er, statt tausend Regenschirme zu ordern, eine Null zuviel hinschrieb, und dem mit Ankunft der Ladung ein anhaltender Regen zuhilfe gekommen war.

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, René LaporteHôtel Solitudeaus dem Französischen von Gerda Zehnder
dtv

"Eines Abends empfand Jérôme Bourdaine plötzlich Ekel vor diesem Leben ohne jede Verbindlichkeit, dem Geplauder über das Roulette oder die fernen Bombenangriffe, deren Schrecken sich nicht einmal im Lächeln der Schwätzer niederschlugen. In einer Bar erzählte einer neben ihm von diesem Hotel."
Jérôme Bourdaine hatte rein zufällig seine Zelte in Nizza aufgeschlagen "in jener Zeit der Verunsicherung, die kurz nach dem Waffenstillstand manche Franzosen sagen ließ: >Akzeptieren wir das Provisorium, da es nur provisorisch ist

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