, Johannes Muggenthaler Die letzte Trauung Weidle Verlag

Was wäre ein glückvollerer Ort als das Standesamt, wo die Ehen getraut, wo glückliche Bindungen gefestigt und bestätigt werden und unverbrüchliche ewige Treue gefordert und gelobt wird? Johannes Muggenthaler hat sich für diesen Ort speziellen Glücks eine ganz andere Geschichte ausgedacht, etwas skurril, etwas grotesk und bestimmt nicht geeignet fürs Standesamt. „Die letzte Trauung“ nennt er seinen neuen Roman, und zunächst steht Marko, der Türhüter eines Standesamts, im Mittelpunkt. Wenn Marko nicht sowieso schon schwermütig gewesen ist, dann ist er es hier geworden. Er beobachtet, wie die anderen Standesbeamten, deren Tätigkeiten nur mehr Routine sind, die ihnen keine besonderen Gedanken mehr abfordert, sich vor allem auf ihre persönlichen Anliegen konzentrieren. Dabei sind sie ihren individuellen Schrullen unterworfen, z. B. hält einer der Standesbeamten gerne und ausdauernd pathetische Reden, was für manches Brautpaar geradezu beschwerlich wird. Und wie zum Ausgleich kann eine Standesbeamtin nicht frei reden, was sich bei der Formelhaftigkeit der von ihr vorzutragenden Texte kaum vorstellen lässt. Eines Tages nimmt sie einen Stromausfall zum Anlass, das Weite zu suchen. Muggenthalers Roman folgt den verschlungenen Wegen Markos, der das Verschwinden der Beamtin für einen eigenen Ausflug nutzt. Auf einem Volksfest bandelt er mit einer Lebkuchenherzen-Verkäuferin an, er erlebt das Ausnüchterungszelt als besonderes soziales Biotop und gerät schließlich unter den Einfluss eines früheren Schulkameraden, der schon lange auf Abwegen ist.

Von Anfang an ist das Besondere an diesem Buch die Lust des Autors an ausgefeilten, fein ziselierten Formulierungen, in denen unmögliche oder lästige Sachverhalte so dargestellt werden, dass sie nicht mehr stören, sondern amüsieren.

Sind diese fein ausgearbeiteten Formulierungskunststücke nur das Vergnügen des Autors oder liegt darin auch eine Form von Abwehr gegen unmögliche Zustände?

Johannes Muggenthaler, der Erfinder dieser Figuren, war von Iwan, Marcos halbseidenem Schulkameraden, offenbar genauso fasziniert wie Marko selbst. Und anders als es im Standesamt gefordert wird, hält der Erzähler seinem Helden Marco schon bald nicht mehr die Treue. Mit Iwan ist eben ein viel interessanterer Mann als Marko auf den Plan getreten, ein Kleinkrimineller, dessen Scheitern mehr Originalität birgt als die Routine vom Standesamt.

Manches in diesem Roman klingt nach echten Vorkommnissen, als wäre es authentisch – gibt es einen realen Hintergrund für die Ereignisse in diesem Buch?

Iwan hat echte Karrierepläne für seine Kriminellenlaufbahn. Wir werden Zeuge, wie er eine Frau entführt. Sie ist die Freundin des Geschäftsführers eines Auktionshauses. Und sie macht sogar mit. Vielleicht stellen sich Entführte und Entführer vor, es könnte zu einer Art von Versteigerung kommen: Materiell, wenn der Auktionator seine Freundin meistbietend zurücknimmt, immateriell, indem er seine Wertschätzung in der Höhe einer Summe manifest werden lässt. Aber der erpresste Auktionator denkt gar nicht daran zu funktionieren. Vielmehr scheint er erleichtert und befreit und verweigert die Rücknahme – ähnliche Geschichten hat es zwar schon mal im Kino gegeben, aber als Pointe ist das immer schon lustig und überraschend.

Um trotzdem an Geld zukommen, verlegt sich Iwan auf einen Sparkasseneinbruch, aber auch diese Unternehmung wird nicht zum Ziel führen. Zum Schluss wird aus der entführten Freundin eine zugeführte Braut, man trifft sich im Standesamt, und wer noch Fragen hat, wird nie zu einer Antwort kommen. Der Spaß des Buchs liegt vor allem in der Sprache, in den kleinen formulierten Miniaturen des Autors. Die aberwitzige, unglaubwürdige und darum um so amüsantere Handlung wird darüber fast zur Nebensache.

Die Geschichte führt aus dem Standesamtsstuben in die Provinz, aufs Land, aber die Charaktere, die hier agieren, wirken großstädtisch. Ist das eine urbane oder eine Provinzgeschichte?

Nicht zuletzt weil sich Johannes Muggenthaler außer durch das Schreiben bisher vor allem als bildender Künstler und Fotograf einen Namen gemacht hat, sind auch Fotos in seinem Buch zu finden sind, zum Beispiel von Lebkuchenherzen in der Art, wie Muggenthalers Romanheld sie beim Bierfest angeboten bekommt.

ISBN: 978-3-938803-30-1
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