, Jemima Morell Miss Jemimas Journal. Eine Reise durch die Alpen aus dem Englischen von Heike Steffen
mit einem Vorwort von Andreas Lesti und Illustrationen von Stephanie F. Scholz
Rogner & Bernhard

Miss Jemimas Tagebuch einer Reise durch die Alpen schildert eine der ersten Gruppenreisen überhaupt, unternommen 1863 unter der Ägide keines Geringeren als Thomas Cook, der hier eine der ersten Pauschalreisen veranstaltete. Andreas Lestis Vorwort gibt Auskunft über diesen kuriosen Fund, die Illustrationen veranschaulichen, wo die Reise langging. Miss Jemima war von den weiteren Teilnehmern dieser Reise zur Berichterstatterin ernannt worden. Sie alle waren Mitglieder des im Juni 1863 in Opposition zum sechs Jahre älteren Londoner Alpine Club gegründeten Junior United Alpine Clubs. Der ältere Alpinistenclub hatte nämlich ausschließlich männliche Mitglieder, Miss Jemima nahm also außerdem noch an einem emanzipatorischen Akt teil.

Es ist die Beschreibung einer Bergtour mit Maultier und Postkutsche, die Damen trugen Krinoline und ließen ihre Wäsche im Hotel waschen, um weniger Gepäck zu haben. Die Route führte von Chamonix über Martigny und Sion durch die westlichen Alpen und dann ins Berner Oberland. Rigi und Vierwaldstätter See zählen zu den abschließenden Höhepunkten.

Wer Reiseberichte eher langweilig findet und die staunende Begeisterung heutiger Bergwanderer abgedroschen ("großartig", "ein Gedicht", "majestätisch"), der kann hier seine reine Freude haben. Jemima erzählt lebhaft, abwechslungsreich und originell. Mal ist sie süffisant wie Heinrich Heine in der „Harzreise“, dann schildert sie die schneebedeckte Krone des Mont Blanc, "der wie ein Keil aus reinstem, mit Raureif bedecktem Silber unter einem Baldachin vom sanftesten Blau in der Sonne glitzerte und aussah, als würde er in den Himmel selbst und zum >großen weißen Thron< aufsteigen" – statt zu schreiben: "erhaben". Mal macht sie sich unangemessen lustig über die Eingeborenen und ihre "Unbildung", dann gibt sie Eindrücke von der technischen Entwicklung ihrer Zeit wieder, dass nämlich die Eisenbahn im Rhônetal erst zum Teil fertiggestellt ist. Zwischendurch zitiert sie aus der wenigen damals vorhandenen, heute eher unbekannten Alpen-Literatur. Dann registriert sie, dass sie und ihre Gruppe von Touristen nicht die ersten ihrer Art sind, denn es werden allenthalben Souvenirs angeboten. Hierin zeigt sich ein Aspekt von der Zeitlosigkeit des Alpinismus wie auch in ihren belustigten Kommentaren über manchen ihrer Mitreisenden, die sich eben verhalten, wie sich Mitreisende offenbar zu allen Zeiten verhalten haben. Doch stets bleibt das Wandern die Hauptsache, Jemima ist erfüllt von ihren Naturerlebnissen, und ihre beherzte Art, davon zu berichten, ist bis heute frisch geblieben. Eine Bereicherung.

ISBN 978-3-95403-050-7

http://www.rogner-bernhard.de/titles/show/475