Interviews

, Ulf Erdmann ZieglerNichts WeißesSuhrkamp Verlag

Nach den preisgekrönten Romanen von Ruge und Tellkamp ist dies nun mal ein Roman, der eine westdeutsche Geschichte erzählt aus einer Zeit, die als Abschnitt nach 68 und vor der Wende irgendwie bedeutungslos erschienen ist, wenn man nicht Punk und New Wave für bedeutend hält. Die Figuren sind teilweise hart an der Realität existenter Personen angelegt, wir ahnen mal Charles Wilp, den Düsseldorfer Werbe-Guru, oder Franz Greno, den Typographen der „Anderen Bibliothek“, für manch weitere Figur lässt sich sicher auch noch eine reale Person finden, wie auch eine Büro-Technik-Firma mit dem Namen International Office Machines unschwer als IBM zu identifizieren wäre. Es beginnt mit einer kleinen Siedlung in Neuss bei Düsseldorf, wo ein junges Paar seine drei Töchter und einen Sohn bekommt und aufzieht. Die älteste wird spirituell bis religiös, die zweite ist enttäuscht davon, dass sie nicht Ministrant sein darf. Sie heißt Marleen und wird den ganzen Roman lang von einer Gegebenheit zur nächsten geweht, obwohl sie seit ihrer Kindheit ein festes Lebensziel hat, nämlich eine besondere Schrift zu entwerfen, eine, die man gewissermaßen gar nicht bemerkt. Ansonsten gibt sie sich vor allem Mühe, die Welt zu verstehen –

was ist das für eine Unbestimmtheit, dass Marleen irgendwie unbeabsichtigt immer da hinkommt, wo sie dann ist?

Das komplette Interview
, Vea KaiserBlasmusikpopKiepenheuer & Witsch

Wer den Film „Wer früher stirbt ist länger tot“ gemocht hat, der wird auch mit diesem Buch seinen Spaß haben. Ein Heimatroman, der eigentlich keiner ist, obwohl er das heimlich aber doch ist. Vom Heimatroman unterscheidet ihn die passive Teilnahme von Herodot und der Umstand, dass die Autorin Homer zum Maßstab von Literatur und Menschenbildung macht.

Was für eine Beziehung haben Sie denn selbst zum Land?

Das komplette Interview
, Norbert ScheuerPeehs LiebeC. H. Beck

Annie arbeitet als Altenpflegerin in der Eifel. Einer ihrer Patienten, Rosarius, der sich in seinen verblassenden Erinnerungen mehr und mehr verliert, verwechselt sie mit der großen Liebe seiner Jugend. Und sie? Sie lässt sich ein auf ein emotionales Abenteuer voll verborgener Wahrheiten und unwägbarer Geheimnisse. Norbert Scheuer erzählt in einer romantischen und zuweilen traumhaften Geschichte aus einer Provinz, wie die Erinnerung die Welt verzaubern kann. Hier in dem entlegenen Dorf findet sich die gesamte Welt überraschend wieder, sei es in Gestalt überlieferter Berichte, in Form archäologischer Funde oder als unbestimmtes Echo. In Verbindung mit der schwächer werdenden Erinnerung wandelt sich die Wirklichkeit und wir verwandeln uns mit ihr. In diesem Sinne lässt sich Annie von Rosarius‘ Irrtum so bannen, dass sie am Ende selbst glaubt, die unbekannte „Peeh“ zu sein –

Verändert sich da Annies Persönlichkeit? Ist das eine romantische Illusion oder schon eine Psycho-Geschichte?

Das komplette Interview

Was sich sonst zu lesen lohnt

, Michael FraynWillkommen auf Skiosaus dem Englischen von Anette Grube, Hanser Verlag

Es ist wie so oft, wenn ein Reicher als Mäzen wirkt und eine wohltätige Organisation oder etwas Ähnliches ins Leben ruft: Es scharen sich um ihn jede Menge kleiner und mittlerer opportunistischer Profiteure, Speichellecker und Unterdespoten, von denen ein paar sogar aufsteigen wollen in der Hierarchie der profitierenden Günstlinge. Hier steht eine amerikanische Stiftung im Mittelpunkt, deren Leiterin, Mrs. Fred Toppler, im Gedenken an ihren Mann eine Stiftung auf der griechischen Insel Skios ins Leben gerufen hat, an einem der schönsten Plätze überhaupt, dazu unmittelbar neben einer antiken Kultstätte, deren skulpturale Schätze einer der engsten Freunde der Mäzenin eines Nachts abtransportieren lassen will.

Mehr ...
, Emmanuel CarrèreLimonowaus dem Französischen übersetzt von Claudia Hamm
Verlag Matthes & Seitz

Emmanuel Carrère gehört zu einer Schriftstellergeneration mit Philippe Djian, Marie NDiaye, Jean Echenoz und François Bon und hat schon einige Romane veröffentlicht. Mit diesem Buch hat er etwas vollkommen anderes unternommen: Er beschreibt das Leben einer realen Person des öffentlichen Lebens, nämlich von Eduard Limonow, der 1943 in der ukrainischen Stadt Charkow als Sohn eines KGB-Mannes zur Welt kam. Im Moskau der 1960er Jahre machte er Bekanntschaft mit dem literarischen Untergrund, 1974 wurde er als Dissident aus der Sowjetunion ausgewiesen. In den USA entwickelte er sich zum Dissidenten innerhalb der Dissidentenszene.

Mehr ...
, Gaito GasdanowDas Phantom des Alexander Wolfaus dem Russischen von Rosemarie Tietze
Hanser Verlag

Eine dramatische Szene im russischen Bürgerkrieg: Ein junger Soldat, 16 Jahre alt, ist irgendwo in Russlands Süden, bei Gluthitze, übermüdet, halb verdurstet, hungrig, auf einem Pferd unterwegs. Er ist desorientiert und versprengt, und obwohl er gar nicht langsam unterwegs ist, kommt es ihm vor wie Schneckentempo. Ein Schuss trifft sein Pferd, es reißt ihn zu Boden, er bleibt unverletzt. In irgendwie schlafwandlerischer Ruhe wartet er ab, bis der Schütze, auch der ist beritten, auf seinem mächtigen, weit ausgreifenden Schimmel nähergekommen ist und sein Gewehr bereit macht zum Schuss. Dieser Augenblick des Innehaltens ist der ideale Moment für den Jungen, seinerseits mit der Pistole zu schießen. Er streckt seinen Verfolger nieder, tritt zu ihm, hält ihn für tot, übernimmt seinen Schimmel und setzt seinen Weg fort.

Mehr ...
, Wsewolod PetrowDie Manon Lescaut von Turdejaus dem Russischen übersetzt von Daniel Jurjew, mit Kommentaren von Olga Martynowa und einem Nachwort von Oleg Jurjew
Weidle Verlag

Ein Waggon eines Lazarett-Zugs in Russland, während des Zweiten Weltkriegs. Hier sind einige Männer und Frauen miteinander untergebracht auf dem Weg zu ihrem nächsten Einsatzort: ein Apotheker, zwei Sanitäter, zwei Ärztinnen, einige Krankenschwestern. Der Erzähler ist Sanitätsoffizier, er beobachtet das Wohl und Weh dieser kleinen Gesellschaft, die Gemeinsamkeiten der Gruppe und die unausweichlichen Konfrontationen, die besondere Dynamik einer Schar von zufällig zusammengewürfelten Menschen, die sich zuvor nicht kannten und die für nicht absehbare Zeit zusammenbleiben müssen.

Mehr ...
, Werner SpiesMein Glück. ErinnerungenHanser Verlag

Über all die vergangenen Jahre konnte man in der Zeitung Werner Spies‘ Artikel über Kunst und Künstler der Moderne des 20. Jahrhunderts lesen, und immer vermittelte er seinem Leser ein bestimmtes Gefühl: Der das da schreibt, hat das Glück gehabt, im richtigen Moment am richtigen Platz gewesen zu sein, um diese Leute, Max Ernst und Picasso als die größten, kennenzulernen, sich sogar mit ihnen auszutauschen, mit ihnen sogar befreundet zu sein. Und wie er das in seiner Dabeiseinsfreude schrieb, empfanden wir auch so etwas wie ein kleines Glück, immerhin dieser unmittelbaren Zeugenschaft teilhaftig geworden zu sein.

Mehr ...