, Yuri Herrera Der König, die Sonne, der Tod Drei Romane. Aus dem Spanischen übersetzt von Susanne Lange
S. Fischer Verlag

Es fängt an mit einer Episode, wie man sie vielleicht aus einem Western kennen könnte: Ein armer Schlucker tritt in einer Unterweltkneipe mit seinem Akkordeon auf und singt Lieder: Bänkelgesänge und Moritaten, die sich auf alle möglichen Situationen der Geschichte und des Alltags beziehen. Mal bekommt er Geld dafür, mal erntet er bloß Häme. Diesmal fordert ihn ein Saufbruder zum Singen auf. Unter den Zuhörern ist auch der, den sie den König nennen, mit seinem Hofstaat von Schlägern, Frauen und Handlangern.

Lobo, der Sänger, der sein Instrument vom Vater bekam, gibt sich Mühe, er spürt, wie der König lauscht, wie es still wird im Lokal. Dann will Lobo sein Geld und bekommt zu wenig und stattdessen wieder einen gehässigen Spruch. Der König greift ein, der Saufbruder zahlt mit seinem Leben und Lobo wird Sänger am Hof des Königs. Wortkarg der König, wortkarg aber auch der Erzähler. Statt langer Betrachtungen knappe Hauptsätze. Was zählt, ist das Jetzt, nichts kann sich auf eine Geschichte, eine Herkunft oder eine Begründung berufen. Da erübrigen sich lange Beschreibungen, diese Welt ist abgespeckt aufs gerade Notwendige. Gefühle, Humor, Witz – dafür ist kein Raum. „Halt es gut fest“, hatte ihm der Vater beim Überreichen des Instruments gesagt, „das ist dein Brot.“ Dann war er Richtung Norden gegangen, die Mutter folgte.
Lobo ist eine Erscheinung wie die „Olvidados“ von Luis Buñuel, arm, ungebildet, hungrig, stumm, lauernd. Lobo erlebt das Leben am Hofe eines Drogen- und Mafiabosses, der mit der Waffe herrscht, dessen Frauen konkurrieren, dessen Gesetz vielleicht verbrecherisch ist, aber berechenbar und zuverlässig. Lobo singt, und wenn andere reden, hört er zu. Also schaut er auch zu, wie der „König“ seine Macht verliert.
Im dritten Teil dieses Romans aus drei Geschichten steht Alfaki im Vordergrund, ein Mann, der sein Geld als Unterhändler in den Kontroversen unterschiedlicher Clans verdient. Nüchtern, amoralisch, aber beredt. Er genießt den Ruf, jede Frau, wenn sie einmal mit ihm ein Gespräch angefangen hat, zum Sex herumzukriegen. Diese Beredsamkeit ist das Instrument seiner Vermittlungen. Die Wortknappheit, die trotz dieser Begabung auch in dieser Geschichte herrscht, verbindet sich mit der brutalen Gewalt der einander bekämpfenden Clanmitglieder zu einer besonderen Härte – faszinierend, wie uns der Autor mit seiner Erzählung bei Spannung hält, obwohl wir die Gesellschaft, von der er erzählt, gar nicht aus der Nähe erleben möchten.
Wortkarg geht es auch bei Makina zu, die ihren Bruder in den USA aufsuchen soll und dafür die Hilfe dreier „harter Kerle“ benötigt. Die Gespräche verlaufen ansatzlos so, als wüssten schon alle, was Makina will. Bei ihnen verhält sie sich untertänig: „Man ist die Tür, nicht die, die sie durchquert.“ Was sie sieht, nimmt sie anders wahr, als es normal wäre: An einer Baustelle, wo sie ihren Bruder finden könnte, sieht sie nur das Loch und die Bagger, während wir an die Bauarbeiter, die Menschen denken. Dabei ist sie gar nicht hilflos oder verschüchtert. Unterwegs erweist sie sich sogar als gewaltfähig, als zwei unreife Kerle ihr zusetzen wollen. Wie sie sich durchschlägt, ist spannend und dicht erzählt. In allen drei Geschichten werden wir auf die Sichtweise der jeweiligen Hauptperson festgelegt und erleben dadurch eine ganz ferne, faszinierende Welt.

ISBN: 978-3-10-002255-4

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