, Christopher Isherwood Leb wohl, Berlin Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Kathrin Passig und Gerhard Henschel
Hoffmann und Campe

Eine neue Übersetzung des berühmten Berlin-Buchs, das dem Film „Cabaret“ mit Liza Minelli als Vorbild diente. Christopher Isherwood, Jahrgang 1904, folgte seinem Freund, dem Dichter W. H. Auden nach Berlin. Auden wird mit dem Satz zitiert: „Berlin ist der Traum eines jeden Schwulen. Es gibt hier 170 von der Polizei überwachte einschlägige Bars und Gaststätten“. „Leb wohl, Berlin“ ist seit 1949 in mehreren deutschen Ausgaben erschienen und wurde jetzt noch einmal neu übersetzt.

Was Christopher Isherwood erzählt, ist weniger ein Roman als eine lockere Reihe von Episoden aus dem Anfang der 1930er Jahre, die vollkommen ausgedacht, genauso gut aber literarisch gestaltete eigene Erlebnisse sein können. Isherwoods Titel für die einzelnen Abschnitte weisen bereits auf den Tagebuchcharakter hin. Die Personen, denen Isherwood, für seine Berliner Vermieterin „Mister Issiwuh“, begegnete, sind absolut lebendig und realistisch dargestellt, auch wenn sie die merkwürdigsten Charaktereigenschaften haben. Überwiegend Unterwelt- und Halbweltgestalten, denen bürgerliches Verhalten und die dazugehörigen Werte längst vergangen sind. Auch darin steckt einiges vom Charme des Buchs: Die Leute sind unberechenbar, frei von moralischen Bedenken und schon von Geschäfts wegen darauf aus, andere zu umgarnen – und das tun sie auch mit uns. Der Erzähler ist Fremder, er beobachtet, er bewertet kaum und macht sich höchstens mal lustig über halbseidene Dandys, die sich international geben wollen und englische Worte einfließen lassen: „… und alsbald waren wir bei Fritzens Lieblingsthema, der Liebe, love. Er sprach es Larv aus.“ Aber meistens sind die Menschen, denen er begegnet, auch ohne seinen Kommentar kurios und anziehend. Zum Beispiel Sally Brown, die sich als englisches Revuegirl präsentiert und in ihrer Mischung aus Naivität und Verkommenheit ein einfaches und aufs Unmittelbare ausgerichtetes Seelchen ist. Vielleicht nicht sympathisch, aber ehrlich und allemal unterhaltsamer als die „ordentlichen Leute“. Und natürlich findet sie nur eine Vermieterin, die ihr seelenverwandt ist, ihr aber zu viel Miete abknöpft. Chris rät ihr, umzuziehen, aber Sally will nicht: „Eine anständige Vermieterin würde mich vermutlich nach einer Woche rauswerfen.“
So entsteht vor uns ein Bild aus der Welt des Berliner Talmi am Vorabend der Nazi-Herrschaft, die verarmten älteren Frauen, die in ihren zu großen Wohnungen voller schwerer dunkler Möbel die Zimmer untervermieten, um sich die Existenz zu sichern, die windigen Geschäftemacher und die jungen Frauen, die als Angestellte oder als Künstlerinnen aller Disziplinen ihr Leben meistern wollen. Das Buch endet mit dem Jahr 1933, für den Erzähler endet es wie ein Traum: „Auch jetzt kann ich noch nicht ganz glauben, dass sich das alles wirklich zugetragen hat.“

ISBN 978-3-455-40500-2

http://www.hoffmann-und-campe.de/buch-info/leb-wohl-berlin-buch-7195/